
Ich habe mich eigentlich nie wirklich für amerikanische Autoren – außer Mark Twain – interessiert. Doch dann bekam ich, während meines Studiums, einige Novellen von Henry James in die Finger und ich war angefixt und wollte noch mehr lesen. ☻ Und mit diesem Roman “Washington Square” von ihm habe ich den Anfang gemacht.
Inhalt
Der verwitwete Dr. Austin Sloper lebt zusammen mit seiner Tochter Catherine und seiner Schwester am Washington Square in New York. Als seine Tochter auf einer Party den charmanten Morris Townsend kennenlernt und von diesem sofort fasziniert ist, beginnen bei ihm alle Alarmglocken zu klingen. Dr. Sloper ist nämlich davon überzeugt, dass dieser junge Gentleman nur an Catherines Vermögen interessiert ist und nicht an ihr persönlich. Die angespannte Situation zwischen Vater und Tochter wird weiter strapaziert, als Catherine und Morris ihre Verlobung bekannt geben. Ihr Vater untersagt ihr die Hochzeit und den weiteren Kontakt mit Townsend, als er nach seinen Erkundigungen erfährt, dass dieser tatsächlich mittellos ist und auf Kosten seiner Mitmenschen lebt. Dr. Sloper sieht nur noch einen Ausweg, seine Tochter aus den Fängen dieses Erbschleichers zu befreien, er nimmt sie auf eine sechsmonatige Reise durch Europa mit. Damit wird die “angebliche” Liebe der jungen Menschen auf eine harte Probe gestellt. Nach ihrer Rückkehr aus Europa muss sich Catherine mit ihrem neuen Schicksal als “alte Jungfer” anfreunden…
Mein Eindruck
Schon auf den ersten Seiten wird man in die Gedankenwelt eines zugleich gebildeten aber auch moralischen Menschen hineingezogen. Diese Art des Einstieges fand ich sehr erfrischend; denn bei anderen Romanen wird häufig erst einmal die Umgebung, in der die Handlung sich abspielt, erläutert und erst danach wird auf die Personen und deren Empfindungen eingegangen.
Was mir ebenfalls zusagte, war die Vater-Tochter-Beziehung, die hier tatsächlich im Vordergrund stand. Mir hat dabei gefallen, dass das Augenmerk nicht nur auf den positiven Dingen dieser Beziehung lag, sondern auch die Konflikte, die sich ab und an zwischen Vater und Tochter ergeben können, im Lichtstrahl zu erkennen waren. An manchen Stellen habe ich mich dann dabei ertappt, dass ich mal der Argumentation des Vaters zustimmte und manchmal der der Tochter. Es war wirklich amüsant, wie schnell ich die Seiten gewechselt habe. ☻
Lohnt sich das Buch?
Henry James hat ein Händchen dafür, den Leser immer tiefer in die Innenleben seiner Figuren mit hinein zu ziehen. Dabei wird offensichtlich, dass James versucht, mit seinen detailreichen Beschreibungen den Figuren Leben einzuhauchen und sie nicht nur wie Marionetten auf den Seiten tanzen zu lassen, sondern sie als selbst denkende und eigenständige Individuen darzustellen.
Dabei ist es bemerkenswert, wie psychologisch vielschichtig er seine weiblichen Charaktere skizziert hat. Auch hier wird deutlich, dass Catherine Sloper nicht nur naiv und einfältig ist – wie es anfangs den Anschein hat -, sondern mit der Zeit und den fortschreitenden Kapiteln erkennt der Leser, dass sie reifer und sogar einsichtiger wird. Diese Art zu erzählen hat seinen Reiz und auch die Spannung bleibt nicht auf der Strecke zurück. Für Regentage gut geeignet. ☻☻
Autor: Henry James | Übersetzerin: Bettina Blumenberg | Seiten: 272 | Verlag: Penguin | ISBN: 978-3-328-10219-9 | Preis: 12,00 €
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